Gemeinnutz schafft Eigennutz – Wie Stiftungen und Unternehmen die Demokratie abschaffen: Der Fall Bertelsmann

1. (Mi) Juni 2016, Beginn 18:00 Uhr

JOUR FIXE der Gewerkschaftslinken in Hamburg, CURIOHAUS (Hofdurchgang),  Rothenbaumchausee 15
Veranstaltung mit Rudolph Bauer, Bremen

AUS DER ANKÜNDIGUNG: Der Name Bertelsmann steht sowohl für eine gemeinnützige Stiftung als auch für ein weltweites Unternehmen mit Stammsitz in Gütersloh, Nordrhein-Westfalen. Die Stiftung besitzt mehr als zwei Drittel der Anteile des Unternehmens. Wegen ihrer Gemeinnützigkeit kann die Stiftung dem Unternehmen daher riesige Steuervorteile verschaffen. Ein Teil der auf diese Weise der Allgemeinheit vorenthaltenen Millionen fließt in die Stiftung, deren gemeinnütziges Mäntelchen dazu dient, die eigennützigen Ziele des Unternehmens vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Kurz: Gemeinnutz schafft Eigennutz, d. h. Steuervorteile, Profite, den Zugang zu politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern sowie einen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einfluss, der keiner demokratischen Kontrolle unterliegt.

Zum Bertelsmann-Unternehmen gehören: das weltgrößte Verlagskonsortium Penguin Random House mit 250 Verlagen in 15 Ländern; der Unterhaltungskonzern RTL Group mit Beteiligungen an 57 TV-Sendern, 31 Radiostationen und diversen Produktionsgesellschaften weltweit; die Zeitschriften-Gruppe Gruner + Jahr mit Angeboten in über 20 Ländern; das Musikunternehmen BMG; modernste Druckereien und IT-Dienstleistungs-Agenturen wie Arvato; die Bertelsmann Education Group und Bertelsmann Investments, eine Plattform, über die Bertelsmann an über 100 Unternehmen in Wachstumsregionen beteiligt ist.

Das Bertelsmann-Unternehmen ist nicht nur eine steuerbegünstigt agierende Profit-Quelle. Als Medien-Konzern verfügt das Unternehmen auch über wirkmächtige Instrumente zur kostenlosen Eigenreklame (z. B. durch positive Besprechungen von Random-House-Büchern in den Zeitschriften von Gruner + Jahr), ferner zur Verbreitung der neoliberalen Wettbewerbs-Ideologie sowie zur Ankurbelung und Ausweitung der Märkte für Bertelsmann-Produkte und Dienstleistungen. Eine besondere Rolle hierbei spielt die Bertelsmann-Stiftung, deren Tätigkeit in den Bertelsmann-Medien ebenfalls wohlwollend erwähnt wird. Man spricht hier beschönigend von Synergie, statt von der heimlichen Schleichwerbung für den ideologischen Think Tank und wiederbelebten Volkswartbund.

Die Stiftung gibt sich seriös, wissenschaftlich und fortschrittlich. In Wirklichkeit propagiert sie den profitbesessenen Neoliberalismus in Ökonomie und Politik. Sie trägt bei zur Verflachung von Bildung und Wissenschaft sowie zur Abschaffung der Demokratie. Sie fördert Deutschtümelei, unterstützt den Prozess der gesellschaftlichen Militarisierung und befürwortet Kriege „aus Verantwortung“. Innerhalb der Nato und des transatlantischen „Bündnisses“ mit der Supermacht USA strebt sie eine eigene EU-Armee an. Auf diese Weise sollen neue Märkte erobert werden: im Druck- und IT-Gewerbe, im Bildungswesen, im Medien- und Gesundheitsbereich, in Europa und weltweit.

Der Unternehmensbereich Public Affairs unterhält zu „allen Ebenen der Politik“ einen direkten Draht gepflegt. In der Selbstdarstellung heißt es: „Die Public-Affairs-Verantwortlichen bieten politischen Entscheidungsträgern Zugang zu versierten Gesprächspartnern, vermitteln aktuelle Positionen und Fakten sowie weiterführende Informationen.“ Nicht zu Unrecht spricht der Journalist Thomas Schuler deshalb von der „Bertelsmann-Republik Deutschland“.

Die Stiftung verfügt – ebenso wie der Konzern – über Ableger in den USA, in Polen, Ägypten, Israel, China, Indien, im Kongo sowie in Spanien, das eine Brücke bildet zu Lateinamerika, dem Mittelmeerraum und der arabischen Welt.
Deutschland bildet der Ausgangspunkt für den mittel- und osteuropäischen Raum einschließlich der Russischen Föderation.

Das Credo von der „marktkonformen Demokratie“ (Bundeskanzlerin Merkel) entspricht voll und ganz den Vorstellungen des Hauses Bertelsmann; der Staat soll „schlank“ sein und in erster Linie der Wirtschaft zu Gebote stehen. Stiftung und Unternehmen beobachten genau, wie sich die Märkte entwickeln und was massenmedial „ankommt“.
Linke und fortschrittliche Begriffe werden besetzt, dann aber in ihr Gegenteil verkehrt.
Kurz: Die Bertelsmann-Stiftung macht Klassenkampf von oben.
Anliegen des Vortrags von Rudolph Bauer ist es, dies zu erkennen und einen Beitrag zu leisten für das Bewusstsein der Notwendigkeit des Klassenkampfes von unten.

Die Bertelsmann-Stiftung ist mit zahlreichen anderen Organisationen der bundesdeutschen Herrschaftselite vernetzt. Mittels finanzieller Unterstützung und durch personelle Verbindungen nahm und nimmt sie Einfluss auf Think Tanks wie die Venusberg-Gruppe, das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP), das Centrum für Krankenhausmanagement (CKM), das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) usw.


Zu den Themen, bei denen die Stiftung aktiv ist, indem sie Privatisierungen und mehr Wettbewerb fordert, gehören u. a. die Kommunalpolitik, die Innen- und Justizpolitik, Steuer-, Gesundheits- und Sozialpolitik (Hartz IV), die Umwelt-, Bildungs- und Hochschulpolitik. Auf all diesen Gebieten betreibt sie außerdem einen Wissens- und „Modelltransfer“ ins Ausland.
Links zu Aufsätzen von Rudolph Bauer:
https://www.jungewelt.de/2016/03-05/069.php
http://www.nzz.ch/articleEW1KK-1.135904

Zur Vorbereitung auf den Abend:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bertelsmann_Stiftung
Umfassende Kritik an der Bertelsmann-Stiftung:
http://www.bertelsmannkritik.de/index.htm
Ist die Bertelsmann-Stiftung gemeinnützig? Von Wiebke Priehn
http://de.indymedia.org/2009/02/241793.shtml